Wie die Epilepsie des Hundes die Lebensqualität der Bezugspersonen beeinflusst
Bezugspersonen von an Epilepsie erkrankten Hunden wissen, dass die chronische Krankheit des Hundes sehr fordernd ist. Diese jedoch sehr subjektiv wahrgenommenen Belastungen wurden von der Forschergruppe bestehend aus Amy Pergande, Zoe Belshaw, Holger Volk und Rowena Packer nun systematisch erhoben und ausgewertet.
Die Ergebnisse dieser Studie stellen die Grundlage des hier vorliegenden Blogartikels dar. Dabei konzentrierten sich Pergande et al. (2020) auf Bezugspersonen, deren Hunde an idiopathischer Epilepsie erkrankt waren. Zum Begriff der idiopathischen Epilepsie und den anderen Formen der Epilepsie bei Hunden kannst du dich in dem ersten Teil meiner Videoserie „Epilepsie beim Hund“ informieren.
Die idiopathische Epilepsie
Epilepsie ist bei Hunden eine häufig vorkommende chronisch verlaufende, neurologische Krankheit. Dabei definiert die Internationale Tierärztliche Epilepsie-Arbeitsgruppe die idiopathische Epilepsie als Epilepsie
genetischen, vermutlich genetischen oder unbekannten Ursprungs (Berendt et al. 2015, zit. in: Pergande et al. 2020: 2).
Von allen Hunden, die eine profunde Diagnostik erhalten, welche ein MRT des Kopfes beinhaltet, weisen 54% keine strukturellen Schäden auf und werden somit als an idiopathische Epilepsie erkrankte Hunde angesprochen (Hall 2020, zit. in: Pergande et al. 2020: 2). Die idiopathische Epilepsie wird in der Regel mit einem oder mehreren anfallsunterdrückenden Medikamenten behandelt. Die Medikamentengabe erfordert von den Bezugspersonen ein hohes Maß an Disziplin, da sie äußerst pünktlich erfolgen sollte. Wird der mit dem Tierarzt besprochene Medikamentenplan nicht eingehalten, können sich erneute Anfälle aufstauen. Eine Studie von Booth et al. (2021) machte deutlich, dass diese Pünktlichkeit schon eine immense Herausforderung für viele Bezugspersonen darstellt, denn nur 21% der untersuchten 94 Mensch-Hund-Teams folgten zu 100% den Anweisungen der behandelnden Tierärzte.2
Vor dem Hintergrund entwickelte sich auf der Seite der Forschenden ein zunehmendes Interesse an dem Wohlbefinden und der Lebensqualität der betroffenen Bezugspersonen, denn schon vorangegangene Studien zeigten, dass die Pflege und Betreuung eines chronisch kranken Haustieres einen starken Einfluss auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Pflegenden hatte (Christiansen et al. 2013).
Eingeschränkte Lebensqualität, Schwere der Anfälle und Anfallsfreiheit des Hundes korrelieren
Bestätigt wird die hohe Belastung, die durch die Begleitung und das Miterleben generalisierter Anfälle ausgelöst wird. So konnten Packer et al. (2017) signifikant höhere Cortisolwerte bei den das Anfallsgeschehen beiwohnenden Bezugspersonen feststellen.3 Die Belastung für die Bezugspersonen ist also physiologisch deutlich messbar.
Die hier besprochene Studie zeigt jedoch auf, dass nicht nur die Schwere der Anfälle an und für sich die Lebensqualität der Bezugspersonen beeinflusst. Vielmehr spielen begleitende Faktoren ebenfalls eine entscheidende Rolle. Folgende Aspekte werden von der Studie aufgeführt:
- die Nebenwirkungen durch die Medikamente,
- die postiktale Phase,
- häufiges Urinieren,
- auf eine depressive und ängstliche Stimmung hinweisendes Verhalten des Hundes.
Hinzu kommt, dass die Anfallskontrolle nicht mit dem Engagement der pflegenden Bezugspersonen proportional zunimmt, sodass viele Bezugspersonen Gefühle der Hilflosigkeit beschreiben. Neben den emotionalen Aspekten spielen die erheblichen finanziellen Aufwendungen für die Diagnose und die Behandlung der Epilepsie des Hundes eine signifikante Rolle bei der Verschlechterung der Lebensqualität (Christiansen et al. 2013, zit. in: Pergande et al. 2020: 2, Pergande et al. 2020: 2 und 5).
Eingeschränkte Lebensqualität und Stress durch die Anfälle und deren Unvorhersagbarkeit
Insbesondere nach dem Indexanfall4 geben alle befragten5 Bezugspersonen an, dass sie sich verstört, angsterfüllt und unsicher bezüglich des zu erwartenden Krankheitsverlaufs gefühlt hätten. Hinzu kommt meist eine geringe bis gar keine Erfahrung bezüglich caniner Epilepsie, sodass die Bezugspersonen geschockt und verzweifelt aufgrund des Auftretens der Anfälle sind. Diese beschriebenen Gefühle werden intensiviert zum einen durch die Unvorhersagbarkeit der Anfälle und dem damit verbundenen Kontrollverlust und zum anderen durch das Auftreten von Anfällen zu ungünstigen Zeitpunkten.
Durch die Unberechenbarkeit der Krankheit können sich die Bezugspersonen epileptischer Hunde nicht oder nur schwer auf einen Zeitpunkt oder eine Frequenz der Anfälle einstellen. Bezugspersonen versuchen diesen signifikanten Kontrollverlust durch das Ermitteln von anfallsauslösenden Faktoren (Triggern) und Anzeichen eines sich ankündigenden Anfalls im Verhalten zurückzugewinnen. Der Wunsch nach vermehrte Kontrolle und die damit verbundene Suche nach Auslösern und Verhaltensweisen, die einen Anfall ankündigen, führen begleitend dazu, dass die Betroffenen oft ein detailliertes Anfallstagebuch führen (Pergande et al. 2020: 3).
Insbesondere der emotionale Impakt, den insbesondere schwere Anfälle haben, führt bei einigen Patientenbesitzer:innen zu einer Modifikation des Lebenswandels.
Änderungen im Lebenswandel
Viele der befragten Besitzer:innen berichten von einer Anpassung ihres Lebensstils. Dies ergibt sich aus den strikten Medikamentenplänen, der Herausforderung, eine angemessene Betreuung für den an Epilepsie leidenden Hund zu finden, und dem Wunsch, das Tier nicht länger allein zu lassen. Einige der Befragten ändern ihre berufliche Tätigkeit oder wechseln ihren Arbeitgeber, um eine bessere Betreuung des Tieres – z.B. durch das Arbeiten im Homeoffice – zu gewährleisten.
Die wenigen Patientenbesitzer:innen, die sich in ihrem Lebensstil sowie ihren Emotionen nicht oder nur wenig eingeschränkt bzw. belastet fühlen, haben zuvor eine gute Anfallskontrolle erreichen können.
Wie stark die Veränderungen im Lebensstil der Bezugspersonen sind, ist also direkt mit der Qualität der Anfallskontrolle verbunden (Pergande et al. 2020: 3-4).
Bindung zwischen Hund und Halter:in
Die überwiegende Mehrheit der Bezugspersonen nahm durch die Krankheit eine Intensivierung in der Beziehung und Bindung zum Hund wahr.
Einhergehend mit einer schlechten Anfallskontrolle und weiterhin existierenden starken Nebenwirkungen durch die Medikamente, beschreiben die Bezugspersonen Emotionen wie Enttäuschung, Frustration und Hilflosigkeit bis hin zur tiefen Verzweiflung sowie Hoffnungslosigkeit. Letzteres trifft insbesondere zu, wenn der Hund sich durch die Krankheit oder die Medikamentation in seiner Persönlichkeit sehr verändert hat (Pergande et al. 2020: 3).
Die Einschränkungen im Lebensstil sowie die emotionale Belastung wirken sich wiederum im Sozialleben der Bezugspersonen aus.
Soziale Isolation
Das Umfeld der Bezugspersonen kann die Selbsteinschränkung durch die Krankheit des Hundes nur schwer nachvollziehen. Der Einfluss eines epileptischen Anfalls wird vom Umfeld häufig nicht verstanden. Damit geht auch eine geringe Toleranz gegenüber des Engagements und der gefühlten Verpflichtung der Bezugsperson einher.
Vielmehr reagiert das Umfeld mit wenig Verständnis oder gar Verärgerung, wenn eine Verabredung abgesagt wird oder die Bezugspersonen nach der Diagnose gemeinsame Aktivitäten einschränken.
Tatsächlich berichten einige Bezugspersonen, dass gerade die soziale Isolation ihre Lebensqualität besonders negativ beeinflusst.
Die Angst vor Verurteilungen durch das soziale Umfeld und Gefühle der Hilflosigkeit befördern eine verstärkte Nutzung von Selbsthilfegruppen im Internet. Hier ist die Wahrnehmung jedoch ambivalent. Während auf der einen Seite der Austausch und die emotionale Unterstützung als Gewinn wahrgenommen wird, steht dem auf der anderen Seite auch ein belastender und Angst fördernder Aspekt gegenüber, der sich in Todesmeldungen und Notfallberichten widerspiegelt.
Zusammenfassung der Autor:innen
Epilepsie beim eigenen Hund führt zu signifikanten Modifikationen im Lebensstil der Bezugspersonen. Ob diese als positiv oder negativ zu bewerten sind, ist sehr individuell zu betrachten und hängt vor allem von der Persönlichkeit der Bezugsperson ab. Dennoch kann eine weitere Studie herausarbeiten, dass die Lebensqualität von an Epilepsie erkrankten Hunden und ihren Bezugspersonen generell positiv ist (Nettifee et al. 2017, Pergande et al. 2020: 5). Dem steht jedoch gegenüber, dass der von den Bezugspersonen empfundene Einfluss größer ist als von den Autor:innen der hier besprochenen Studie erwartet.
Die sehr enge Bindung zwischen Hund und Bezugsperson führt dazu, dass sich die Bezugspersonen von an Epilepsie erkrankten Hunden mehr um die Lebensqualität ihres Hundes als um die eigene sorgen und die mit der Krankheit verbundenen Einschränkungen in Kauf nehmen.
Strikte Routinen reduzieren Stressoren wie Angst, Unsicherheit und Kontrollverlust.
Ebenso hilft bei der Bewältigung der Krankheit, insbesondere in der Anfangsphase das Internet, das zugleich die Gefahr der Falschinformation birgt.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass ein erhöhter Bedarf an Unterstützungsangeboten auf Seiten der Bezugspersonen besteht (Chang et al. 2006, zit. in Pergande et al. 2020: 5; Pergande et al. 2020: 5-6).
Meine persönlichen Erfahrungen hinsichtlich unserer Lebensqualität
Ich kann alle hier genannten Einschränkungen absolut nachvollziehen. Doch wie so oft ist das Leben eben nicht schwarz oder weiß, sondern schwankt zwischen diesen beiden Polen. Im Folgenden möchte ich das näher erläutern.
Lebensqualität und Anfallskontrolle
Die Lebensqualität ist auch bei uns verlinkt mit der Anfallsfrequenz und der Anfallsstärke. Jetzt ist der letzte Anfall, der gleichzeitig sehr schwerwiegend war, schon eine Weile her (Mai und Juni 2023), und die Angst vor einem erneuten Anfall ist inzwischen recht in den Hintergrund getreten. Nichtsdestotrotz kommt diese natürlich beim kleinsten Unwohlsein sofort wieder hoch. Neulich hatte der Käpt´n ein wenig Durchfall, was häufig bei ihm mit Erbrechen einhergeht. Da er nach dem Erbrechen immer einen Anfall bekommt, war ich entsprechend alarmiert und wir haben an diesem Tag sehr wenige Aktivitäten gemacht. Zugleich habe ich jeglichen Stress von ihm ferngehalten. An diesen Tagen habe ich auch eine erhöhte Vigilanz, das heißt, ich beobachte den Käpt´n genau und lasse ihn nicht aus den Augen oder gar alleine. Verabredungen sage ich dann ab oder verlege sie auf ein Zoomtreffen.
Die Unberechenbarkeit der Krankheit macht es tatsächlich schwer, dass ich mich vollends entspanne, denn ich weiß, dass die anfallsfreie Zeit an jedem Tag vorbei sein kann. Das führt zu einer gewissen Grundanspannung, die immer da ist. Auf der anderen Seite lasse ich mit dem Käpt´n nichts mehr Schönes aus. Verspüre ich einmal einen Anflug von Faulheit oder Unlust, wenn es um eine gemeinsame Aktivität mit dem Käpt´n geht, dann motivieren mich sofort diese Gedanken:
„Wer weiß, wie oft wir das noch zusammen machen können…“
„Wer weiß, wie lange er noch da ist…“
Und schon geht’s los!
Indexanfall
Die Nebenwirkungen der Medikamente sind nicht zu unterschätzen und können – je nach Intensität – einen zutiefst verzweifeln lassen. Da ich von unserer Umstellung auf Phenobarbital ausführlich im Tagebuch berichtet habe, möchte ich hier nicht weiter auf diese Phase eingehen. Dennoch sei an dieser Stelle unbedingt erwähnt, dass Phenobarbital uns seit Juni die Anfälle fernhält. So schwer die Zeit der Umstellung auch war, der Kampf durch das Tal hat sich im Rückblick absolut gelohnt!
Ungünstige Zeitpunkte oder Orte eines Anfalls
Ein Anfall ist natürlich nie willkommen. Nichtsdestotrotz gibt es günstige und weniger günstige Kontexte für einen Anfall. Die schlimmsten Anfälle von den Umständen her war einer während einer Autofahrt und einer kurz bevor wir auf Käufer eines Wohnwagens warteten. Insbesondere dieser Anfalls war von seiner Schwere her sehr schlimm.
Änderung im Lebenswandel und soziale Isolation
Da wir nur zwei Medikamentengaben am Tag haben (toi, toi, toi), bin ich nicht durch einen strikten Medikamentenplan extrem eingeschränkt. Da kenne ich Mensch-Hund-Teams, die bis zu sechs Tablettengaben am Tag managen müssen. Auch nimmt der Käpt´n seine Tabletten sehr gut.
Natürlich schränkt mich die Krankheit des Käpt´n ein. Ich versuche, ihn so wenig wie möglich allein zu lassen. Zugleich ist er von reizintensiven Umgebungen schnell völlig überfordert, sodass ich ihn nicht mehr wie früher einfach überall mitnehmen kann. Diesbezüglich schränke ich mich sehr ein. Ich gehe nicht mehr in laute und enge Restaurants, sondern beschränke das im Sommer auf Gartenlokale mit viel Abstand und ruhigen Ecken. Mein Eis esse ich, wenn der Garten der Eisdiele voll ist, dann lieber im Auto.
Unterwegs bin ich in einsamen und reizarmen Gegenden, die ich auch konsequent geheim halte. Dadurch treffe ich kaum auf Leute und habe quasi keine spontanen Gespräche, die ich früher so geliebt habe.
Sicherlich gibt es auch Menschen, die meine Rücksichtnahme auf den Käpt´n nervig finden und sich deswegen zurückgezogen haben. Oder es gibt Menschen, die die Einschränkungen mit Sätzen wie
Damit musst du jetzt leben!
weggewischt haben. Auch mein Arbeitsumfeld hat wenig Verständnis für die Krankheit des Käpt´ns gezeigt.
Dennoch habe ich durch die Krankheit, der damit verbundenen Videoserie und Öffentlichkeitsarbeit unglaublich schöne und Kraft gebende Rückmeldungen erhalten. Ich habe neue Bekanntschaften gefunden und ich habe mit tollen Personen, die sich ebenfalls mit Hingabe um ihren Epileptiker kümmern, regelmäßigen, teilweise täglichen Austausch. Das ist unglaublich schön, tragend und hat meine Lebensqualität verbessert.
Mein kleiner Freundeskreis hat viel Verständnis für unsere Umstände und alle stellen sich auf unsere Bedürfnisse ein. Das zeigt sich ganz unterschiedlich. Mit einem befreundeten Paar, das ein kleines Kind hat, treffen ich mich, wenn der Kleine schon im Bett ist. Der Käpt´n wäre sonst – und das als ehemaliger Schulhund! – von dem Gewusel überfordert. Andere Freunde besuchen mich hier zu Hause oder akzeptieren, wenn ich nicht so lange bleibe, damit der Käpt´n nicht über einen längeren Zeitraum allein ist. Manchmal treffe ich mich einfach über Zoom.
Dennoch bin ich auch in diversen Onlinegruppen zum Thema Epilepsie beim Hund. Manche Gruppen haben mich aufgrund meiner Videoserie wieder entfernt, in anderen durfte ich bleiben. Dort gibt es in der Regel viel Unterstützung und Verständnis, manchmal ist der Ton bedauerlicherweise aber auch rau. Insbesondere, wenn der Hund zum Beispiel am Wochenende eine Stunde nach der Medikamentengabe spuckt, bekommt man dort schnell ein Protokoll zugeschickt, welches einem sagt, was nun zu tun ist. Unbezahlbar!
Eine Zeit lang wurden sehr viele Todesanzeigen dort gepostet. Das war schwer auszuhalten und belastend. Ich habe dann eine Zeit lang Abstand genommen und die Postings nicht mehr so viel gelesen.
Mit dem Käpt´n bin ich viel mehr zusammengewachsen. Meine Ansprüche an ihn habe ich heruntergeschraubt. Ich weiß, dass er vieles nicht mehr schafft, was früher problemlos ging und er an schlechten Tagen einfach auch mal die Nerven verliert. Bellt er also mal oder springt ins Geschirr, dann mache ich einen Haken an die Situation, versuche gut nach Hause zu kommen und belasse es dabei. Er kann am allerwenigsten etwas für seine Krankheit.
Und das Beste zum Schluss:
Die Krankheit vom Käpt´n war ein – nicht der ausschlaggebende! – Faktor, dass ich der Schule den Rücken gekehrt habe und jetzt als Hundetrainerin meinen Lebensunterhalt bestreite! Die damit einhergehende Erhöhung meiner Lebensqualität lässt sich gar nicht messen: kein Tinnitus mehr, keine verspannten Schultern mehr, keine extrem durchgetakteten Vormittage mehr, keine Lautstärke mehr, kein Verbiegen mehr…
Keine neun Stunden am Tag, die der Käpt´n trotz deiner Krankheit zweimal in der Woche alleine zu Hause bleiben muss!
Für dich!
Die meisten Leser:innen, die auf diesen Seiten landen, stehen ganz am Anfang in ihrer Auseinandersetzung mit der Krankheit und sind entsprechend aufgewühlt sowie verzweifelt.
Lass dich nicht unterkriegen und schäme dich nicht für deine Emotionen, auch wenn dein Umfeld vielleicht hier und da mit Unverständnis oder Ignoranz reagiert. Sie wissen es nicht besser!
Deine Emotionen sind normal. Es ist normal, dass du dir Sorgen um deinen Hund machst, du Angst vor dem nächsten Anfall hast und dich völlig überfordert fühlst. Es ist okay, wenn du dich auf irgendwelchen Parkbänken weinend wiederfindest und du nicht weißt, wie du das alles schaffen sollst. Der Stress ist in Phasen nach dem Anfall deutlich messbar und damit nicht vom Tisch zu wischen.
Es ist auch okay, wenn du dein Leben für deinen kranken Hund änderst. Nichts davon ist übertrieben, albern oder beschämend.
Dein Hund hat nur dich und deine Familienmitglieder. Du oder ihr seid seine Welt.
Vielleicht bist du auch schon länger eine pflegende Bezugsperson eines an Epilepsie leidenden Hundes, dann schreib mir gerne in die Kommentare: Welchen Einfluss hatte die Krankheit auf dein Leben? Wie schätzt du deine Lebensqualität und die deines Hundes ein?
Du wächst mit der Krankheit
Insbesondere die Zeit der Diagnostik und medikamentösen Einstellung ist schwer und von emotionaler Unruhe geprägt. Mit der Zeit jedoch wirst du viel routinierter und sicherer in den Abläufen. Du weißt, was bei einem Anfall auf dich zukommt und du findest deine Strategien sowie Wege, um deinen Hund im Anfall zu unterstützen. Du passt Dinge nach euren Bedürfnissen an.
Es finden sich für vieles Lösungen. Probiere verschiedene Gruppen aus. Vielleicht hilft dir meine Videoserie, vielleicht hast du Lust zu dem Webinar „Epilepsie beim Hund: Mehr Lebensqualität für Bezugspersonen und ihre Hunde“ zu kommen oder vielleicht ist dir nach einer Zoomaustauschgruppe, dann trag dich in die Warteliste ein. Und natürlich kannst du mir hier immer einen Kommentar hinterlassen!
Neue Wegbegleiter
Du wirst neue Menschen kennenlernen, die in der gleichen Lage sind, dich unterstützen und dir in aufwühlenden Zeiten mit ihrer Erfahrung und Routine beistehen.
Ich wünsche dir viel Kraft und geniesse die vielen schönen Momente mit deinem Hund!
Viele Grüße vom Käpt´n und Anja
Bibliographie
Berendt, M.; Farquhar, R.G.; Madigers, P.J.J.; Pakozdy, A.; Bhatti, S.F.M.; De Risio, L. et al. (2015): International Veterinary Epilepsy Task Force consensus report on epilepsy definition, classification and terminology in companion animals. In: BMC Veterinary Research 11, 174
Booth,S.; Meller, S.; Packer, R.; Farquhar, R.; Maddison, J. (2021): Owner compliance in canine epilepsy. In: WILEY ONLINE LIBRARY (2021): VetRecord, Volume 188, Issue 4, February 2021, e16
Chang, Y.; Mellor, D.J.; Anderson, T.J. (2006): Idiopathic epilepsy in dogs: owners‘ perspectives on management with phenobarbitone and/or potassium bromide. J Small Anim Pract. 2006 Oct;47(10):574-81. doi: 10.1111/j.1748-5827.2006.00203.x. PMID: 17004949.
Christiansen, S.; Kristensen, A.; Sandøe, P.; Lassen, J.: (2013). Looking After Chronically III Dogs: Impacts on the Caregiver’s Life. Anthrozoos: A Multidisciplinary Journal of The Interactions of People & Animals. 26. 519-533. 10.2752/175303713X13795775536174.
Hall, R.; Labruyere, J. Volk, H.; Cardy, T.J. (2020): Estimation of the prevalence of idiopathic epilepsy and structural epilepsy in a general population of 900 dogs undergoing MRI for epileptic seizures. In: WILEY ONLINE LIBRARY (2020): VetRecord, Volume 187, Issue 10, November 2020, e89-e89
Nettifee, J.A.; Munana, K.R.; Griffith, E.H. (2017): Evaluation of the Impacts of Epilepsy in Dogs on Their Caregivers. J Am Anim Hosp Assoc. 2017 May/Jun;53(3):143-149. doi: 10.5326/JAAHA-MS-6537. Epub 2017 Mar 14. PMID: 28291397.
Packer, R.; Volk, H.; Fowkes, R. (2017): Physiological reactivity to spontaneously occurring seizure activity in dogs with epilepsy and their carers. In: Physiology & Behavior, Volume 177: 27-33, https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2017.04.008.
Pergande, A.; Belshaw, Z.; Volk, H., Packer, R. (2020): „We have a ticking time bomb“: a qualitative exploration of the impact of canine epilepsy on dog owners living in England. BMC Veterinary Research 16, 443
- Zitat von @stelilepsy in einer privaten Epilepsiegruppe. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung. ↩
- Auf die Ursachen für die die eingeschränkte Compliance kann in dem begrenzten Rahmen des Artikels nicht eingegangen werden. Ich verweise hierzu auf den Originalartikel, der in der Bibliographie verlinkt ist. ↩
- Packer et al. erhoben sowohl 20 Minuten nach dem Anfall als auch 40 nach dem Anfall des Hundes die Cortisolwerte im Speichel der Bezugspersonen. Nach 40 Minuten wurde eine Erhöhung von 265.1% und nach 20 eine Erhöhung von 40.5% des Cortisiolwertes gemessen. Ängstlichere Persönlichkeiten wiesen dabei höhere Anstiege auf als weniger ängstliche Persönlichkeiten. ↩
- Indexanfall ist der erste Anfall, der von den Bezugspersonen bemerkt wird. Meist wurden erste leichtere Anzeichen aus Unkenntnis übersehen. Beim Indexanfall handelt es sich meistens um einen generalisierten Anfall. ↩
- Die Studie basiert auf Interviews mit Bezugspersonen. Es wurden 21 Bezugspersonen befragt. ↩
Mit Tränen in den Augen habe ich deinen Artikel gelesen, ich kann so mit dir fühlen machen das eben grade alles durch. Mein Baby ist aber erst 2,5 Jahre alt und ich bin grade auch am verzweifeln, aber versuche mich so gut es geht im Griff zu haben. Wie du so schön sagst er kann nichts dafür.
Hallo Biene, ach, Mensch, das ist ja blöd, dass es euch auch erwischt hat. Mir kommen auch oft bei solchen Artikeln oder Videos die Tränen, obwohl wir jetzt schon Ein Jahr Ruhe haben. Die Angst (oder das Wissen), dass es irgendwann wieder losgehen wird, ist eben doch immer da. Komm gerne zur Austauschgruppe. Wir sind ein netter kleiner Kreis.
Seid wann hat denn dein Hund die Anfälle? Seid ihr noch ganz am Anfang eures Weges?
Ich freue mich auf deine Antwort. Viele Grüße von Anja
Hallo Anja. Wir haben die Diagnose nicht sehr lange aber heftige Auswirkungen. Eine Bissverletzunf die nicht ohne ist. 34 Kilo Hund außer Kontrolle . Mein Leben steht auf dem Kopf. Ich bin chronisch krank, habe Rheuma und wird 3 mal am Rücken operiert. Seit Beginn der epi geht es mir körperlich richtig schlecht. Das Rheuma ist getriggert und ich habe einen Schub. Es ist heftig! Ich fühle mich dem derzeit nicht gewachsen. Gerade durch meine eigene Erkrankung.
Liebe Anja, eingangs sei gesagt, dass es mir total leid tut, dass euch die Krankheit auch erwischt hat. Deine aktuelle Verzweiflung kann ich gut verstehen, das war bei mir nicht anders. Dennoch kann ich dir schreiben, dass du mit der Krankheit lernst zu leben., Erst einmal mag das heute völlig utopisch klingen, doch du bekommst Routine bei den Anfällen und kannst dich besser schützen, wenn dein Hund im Anschluss aggressiv wird.
Bei dem Käpt´n war das auch so. Ich habe mich also nach dem Anfall erst einmal zurückgezogen, um zu sehen, wie er im Anschluss drauf ist. Mit der medikamentösen Einstellung fiel die Aggressivität weg, denn die Anfälle wurden deutlich milder und der Käpt´n war nicht nach seinen Anfällen mehr blind.
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Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die nächste Zeit. Viele Grüße von Anja