Wesenstest Eignungstest Wesenstests Eignungstests für Schulhund und Schulhundteams

Wesenstest für Schulhunde – Sinn oder Unsinn?

Soll ein Hund in einem therapeutischen oder pädagogischen Setting gezielt eingesetzt werden, besteht oft die Tendenz, ihn einem Wesenstest oder Eignungstest zu unterziehen. Einige Anbieter führen solche Testungen vor Beginn einer Ausbildung durch, während andere – darunter die Mitglieder des Qualitätsnetzwerks Schulbegleithunde – Wesenstests ablehnen.

Doch was bedeutet das für Menschen, die sich nach einer Schulhundausbildung erkundigen? Ist ein Wesenstest überhaupt aussagekräftig in Bezug auf die Eignung eines Hundes?

Was ist das Ziel eines Wesenstests?

Ein Wesenstest soll eine sachliche Einschätzung des Charakters und der Eignung eines Hundes für eine bestimmte Aufgabe ermöglichen. Dabei wird der Hund mit verschiedenen Situationen konfrontiert und sein Verhalten beurteilt. Besteht der Hund den Test, wird davon ausgegangen, dass er für seinen geplanten Einsatz geeignet ist.

Ein zentrales Ziel dieser Testung ist es, Sicherheit zu gewährleisten, indem ausgeschlossen wird, dass der Hund eine Gefahr darstellt. Doch kann ein einzelner Test dieses Versprechen tatsächlich halten?

Unterschiedliche Teststandards

Neben behördlichen Wesenstests, die stark standardisiert sind, bieten Hundeschulen und Schulhund-Ausbildungsanbieter eigene Testverfahren an. Diese sind oft nicht normiert und können erheblich variieren. Es kommt vor, dass ein Hund bei einem Test durchfällt, bei einem anderen Anbieter jedoch besteht. Dies allein ist bereits ein Grund, Wesenstests kritisch zu hinterfragen.

Ein weiteres Problem ist, dass viele dieser Tests nicht den wissenschaftlichen Gütekriterien genügen:

  • Objektivität: Die Ergebnisse eines Tests sollten unabhängig von der Person sein, die ihn durchführt. Da jedoch unterschiedliche Prüfer oft eigene Maßstäbe anlegen, fehlt vielen Wesenstests die nötige Objektivität.
  • Reliabilität (Zuverlässigkeit): Ein Test sollte bei Wiederholung unter denselben Bedingungen zu ähnlichen Ergebnissen führen. Da viele Wesenstests nicht standardisiert und Hunde Lebewesen sind, kann es vorkommen, dass ein Hund an einem Tag oder bei einem Anbieter als geeignet und an einem anderen als ungeeignet eingestuft wird.
  • Validität (Gültigkeit): Ein Test sollte tatsächlich messen, was er vorgibt zu messen. Ein einzelner Test kann jedoch nicht zuverlässig beurteilen, wie sich ein Hund in verschiedenen Einsatzsituationen verhält.

Zudem sind die Testinhalte für die Bezugspersonen oft nicht transparent, sodass sie nicht wissen, welche Kriterien zur Beurteilung herangezogen werden.

Grenzen eines Wesenstests: Warum die Aussagekraft fragwürdig ist

1. Testsituationen sind Lernsituationen

Ein Hund lernt in jeder Situation. Wird er während eines Tests mit Schreckreizen oder unangenehmen Berührungen (z. B. Umarmungen) konfrontiert, kann dies langfristig problematische Verhaltensweisen hervorrufen. Selbst wenn er im Moment des Tests keine Abwehrreaktion zeigt, kann er später negative Verknüpfungen entwickeln.

2. Momentaufnahme statt Langzeitbewertung


Ein Wesenstest bildet lediglich einen bestimmten Zeitpunkt im Leben des Hundes ab. Doch Hunde entwickeln sich kontinuierlich weiter. Selbst ein Hund mit bestandenem Wesenstest kann später ungeeignete Verhaltensweisen entwickeln.

Auch Tagesform und Umwelteinflüsse (z. B. Stress, Schmerzen, vorangegangene negative Erlebnisse) beeinflussen das Verhalten des Hundes. Ein einmaliger Test kann diese Faktoren nicht berücksichtigen.

3. Kein Bezug zum individuellen Einsatzkontext


Schulhunde arbeiten in sehr unterschiedlichen Umfeldern. Während ein Hund in einer Förderschule mit Rollstühlen, Gehhilfen und kleinen Lerngruppen konfrontiert wird, muss ein Schulhund in einer Regelschule mit großen Klassen und hoher Geräuschkulisse klarkommen. Ein allgemeiner Wesenstest kann diese spezifischen Anforderungen nicht realistisch abbilden.

4. Individuelle Stärken und Talente bleiben unberücksichtigt


Jedes Mensch-Hund-Team hat besondere Stärken und Talente. Ein standardisierter Test kann diese nicht erfassen und birgt die Gefahr, potenziell geeignete Hunde vorschnell auszuschließen.

5. Mangel an Bewältigungsstrategien


Ein Wesenstest setzt den Hund oft ohne Vorbereitung belastenden Situationen aus, ohne ihm zuvor Bewältigungsstrategien an die Hand zu geben. Eine fundierte Schulhundausbildung sollte dem Hund jedoch schrittweise die nötigen Fähigkeiten vermitteln, anstatt ihn ohne Vorwissen in schwierige Testsituationen zu bringen.

6. Das Alter des Hundes spielt eine Rolle


Eignungstests sollten frühestens im Alter von 12 bis 18 Monaten erfolgen, da sich der Charakter eines jungen Hundes noch stark entwickelt. Eine erste behutsame Gewöhnung an den späteren Einsatzort kann jedoch bereits vorher erfolgen.

Sinnvolle Alternativen zu einem Wesenstest

Anstatt Hunde standardisierten Wesenstests mit fragwürdiger Aussagekraft zu unterziehen, sollten andere Methoden zur Beurteilung der Eignung eines Schulhundes genutzt werden:

  • Prozessbegleitende Beurteilung: Eine kontinuierliche Beobachtung und Reflexion während der Ausbildung ermöglicht eine realistischere Einschätzung.
  • Regelmäßige schriftliche Teambeurteilungen: Diese helfen dabei, Stärken und Schwächen zu erkennen und gezielt zu fördern.
  • Längerfristige Schulhundausbildungen: Ausbildungsprogramme, die über einen längeren Zeitraum laufen, bieten eine bessere Einschätzung als ein einmaliger Test.
  • Fachkundige Begleitung: Die Bezugsperson sollte fundiertes kynologisches Wissen erhalten, um ihren Hund lesen und angemessen auf Verhaltensänderungen reagieren zu können.

Zertifizierung und Qualitätssicherung

Ein Abschlusszertifikat einer Schulhundausbildung sollte nicht nur die Eignung des Hundes, sondern auch das Wissen der Bezugsperson über Lerntheorie, Körpersprache und stressfreies Training bestätigen.

Warum Rezertifizierungen wichtig sind


Hunde und ihre Bezugspersonen entwickeln sich stetig weiter. Eine regelmäßige Rezertifizierung stellt sicher, dass das Team weiterhin für den Einsatz geeignet ist und verhindert schleichende Nachlässigkeiten im Alltag.

Dies gilt im Übrigen auch für einen Zweithund. Auch hier stellt deine Rezertifizierung mit deinem Zweit- oder Neuhund einen wichtigen Baustein der Qualitätssicherung dar. Mit dem Hund ändern sich immerhin 50% des Teams!

Was tun, wenn der Ausbildungsanbieter einen Wesenstest verlangt?

Falls der gewünschte Ausbildungsanbieter einen Wesenstest voraussetzt, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Nach Alternativen suchen: Es gibt zahlreiche Schulhundausbildungen, die auf prozessbegleitende Beurteilungen setzen und keinen einmaligen Wesenstest verlangen.
  2. Genau nachfragen: Falls ein Wesenstest unumgänglich ist, sollte man sich vorab über die Testinhalte informieren. Wird mit Schreckreizen (z. B. plötzlich fallende Blechbüchsen) gearbeitet, ist dringend abzuraten. Seriöse Anbieter setzen auf stressfreie, positive Methoden.

Fazit

Ein einmaliger Wesenstest kann keine zuverlässige Aussage über die Eignung eines Hundes für den Schulhund-Einsatz treffen. Stattdessen sind langfristige Beobachtung, fundierte Ausbildung und regelmäßige Reflexion weitaus sinnvollere Methoden, um ein sicheres und harmonisches Mensch-Hund-Team zu gewährleisten.

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